
2001 – Das schönste und schicksalhafteste Jahr meines Lebens
2001 war für mich ein Jahr voller Gegensätze – das schönste, aber auch das schmerzhafteste Jahr meines Lebens.
Im April kam mein Sohn zur Welt – ein Moment voller Liebe, Hoffnung und Neubeginn. Doch nur wenige Monate später, im August, musste ich meinen Vater gehen lassen. Er starb in meinem Beisein. Eben noch stand er da – und im nächsten Moment lag er auf dem Boden und rang nach Luft. Dieses Geräusch werde ich nie vergessen.
Ich wurde in keinem anderen Jahr emotional so durchgerüttelt – zwischen größtem Glück und tiefstem Schmerz – wie in diesem einen, prägenden Jahr 2001.
Es folgten Monate voller Trauer, Wut, Angst und auch Hass. Ich wusste oft nicht, wohin mit all diesen Gefühlen. Die Freude über mein Kind wurde immer wieder von der Trauer um meinen Vater überschattet. Wie kann man Lachen, wenn einem gleichzeitig das Herz bricht?
Ich funktionierte – für mein Kind, für den Alltag. Aber innerlich war ich oft leer. In mir tobte ein Sturm, den niemand sehen konnte. Ich fühlte mich zerrissen zwischen Leben und Tod, zwischen Ankommen und Abschiednehmen.
Doch trotz allem: Irgendwann kam der Moment, in dem ich wieder Licht sah. Nicht hell, nicht laut – aber es war da. Zart. Und es war mein Sohn, der mir half, Schritt für Schritt zurück ins Leben zu finden.
Der Weg zurück ins Leben war nicht einfach. Ich begann meine erste Therapie – mit der Diagnose: depressive Verstimmung.
Damals klang das fast harmlos. Doch heute weiß ich: Es war keine Verstimmung. Es war meine erste schwere depressive Episode.
Ich erinnere mich an Tage, an denen selbst das Aufstehen eine unüberwindbare Aufgabe schien. Ich war müde – körperlich, seelisch, erschöpft vom Funktionieren und vom ständigen inneren Kampf. Ich fühlte mich allein, obwohl ich nicht allein war. Mein Umfeld konnte nicht sehen, wie sehr ich kämpfte – nach außen hin war ich stark, aber in mir war alles dunkel.
Nur – bis heute verfolgen mich die Trauer und die Wut über diesen Verlust.
Ich liebe meinen Vater. Diese Liebe überschattet vieles, auch heute noch. Er war immer der Mittelpunkt meiner Welt, mein sicherer Hafen, mein innerer Kompass. Und dieser für mich so wichtige Mensch ist gegangen – für immer.
Die Trauer, die ich damals nicht zugelassen habe, holt mich heute ein. Sie hat sich über Jahre still in mir festgesetzt. Und jetzt, viele Jahre später, weiß ich: Ich muss mich dieser Trauer endlich stellen. Ich muss anfangen, wirklich zu trauern – und irgendwann loszulassen. Nicht, weil ich vergesse, sondern weil ich Frieden finden will.
Ein bisschen habe ich schon geschafft. Kleine Schritte. Ein stilles Gespräch mit ihm. Ein Besuch am Grab. Das Schreiben dieser Zeilen. Vielleicht ist das der Anfang von etwas Neuem – von einem heilsamen Weg zurück zu mir selbst.
Die Therapie war ein erster Schritt. Ein kleiner, zögerlicher Schritt hin zu mir selbst. Ich lernte langsam, dass es okay ist, Hilfe anzunehmen. Dass es Stärke braucht, sich einzugestehen, dass man nicht mehr kann. Und dass Heilung kein gerader Weg ist, sondern ein Prozess mit Rückschritten, Zweifeln – aber auch mit kleinen Fortschritten, die Mut machen
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